Fasten – Tag 2

Am Samstagabend, um 18 Uhr, war es also soweit: Ich hatte meinen bisherigen Rekord von 24 Stunden Fasten eingestellt und war demnach in einen Bereich vorgedrungen, die mir bis dahin unbekannt gewesen war. Mehr als einen ganzen Tag ohne Nahrung – vor einigen Jahren wäre mir so etwas als fast undenkbar und keinesfalls gesund erschienen.

So musste ich auch an dieser Stelle wieder einige Parallelen zu Self-Development allgemein und zu einzelnen Teildisziplinien – wie eben der Meditation – im besonderen ziehen: Ich hatte manchmal schlicht und einfach Angst. Wenn man einen Tag und länger – mangels Nahrung – von Kreislaufschwäche und damit verbundenen Begleitsymptomen heimgesucht wird und allgemein schwach ist, packt einen schon manchmal die nackte Angst. Ich fühlte mich krank, schwach und hilflos. Natürlich fühlte ich auch stolz und das Interesse, etwas Neues zu erforschen und zu erleben. Dennoch war mir schon manchmal mulmig zu Mute – so, wie es eben oft ist, wenn ich etwas Neues probiere und erlebe. 

Wie bei der Meditation, Pick Up, Self-Development und eigentlich dem Leben allgemein, ging es im Grunde wieder darum, meinen Kopf und meine Gefühle zu beherrschen. Zu beherrschen, indem ich dem Hungergefühl und jetzt auch der Angst nicht nachgab.  

Und so ging der Samstag im Grunde so zu ende, wie er zuvor bereits verlaufen war: Kreislaufschwäche und allgemeine Schwäche führten dazu, dass ich abends todmüde ins Bett fiel und sofort wie ein Stein schlief. Etwas, was bei meinem Krankheitsbild schon etwas besonderes ist. Die Nach verlief somit auch ungestörter als normalerweise: kein Wachliegen, kein Jucken, kein Kratzen, keine Nervosität oder sorgende Gedanken.

Ich hatte lediglich mit leichten Wadenkrämpfen zu kämpfen. 

Sonntag fühlte mich noch schwächer als am Tag zuvor. Aufstehen war nur sehr schwer möglich. Ich konnte kaum etwas finden, dass mich an diesem Tag motivierte.  

Weitere Symptome, die mir am Sonntag auffielen bzw. die ich aufwies: 

Verklebte Augen, laufende Nase, krasses Zahnfleischbluten, Schmerzen in Waden und Knochen (typisch für Entgiftung) und Pipi, das eine beunruhigende rostbraune Farbe zeigte. 

Nach dem Aufwachen war ich bereits bei 38 Stunden, da ich seit Freitagabend 18 Uhr keinerlei Nahrung mehr zu mir genommen hatte. 

Am Sonntag musste ich die Präsentation für einen Workshop zu den Themen “eCommerce Marketing” für einen Kunden vorbereiten, und hatte kaum die notwendige Kraft dafür. Für einen anderen Kunden musste ich auch noch die Erstellung von dessen Webseite koordinieren. Am sonntagmorgene erschien es mir unmöglich mit so wenig Kraft, Energie und Motivation irgendetwas Vorzeigbares zu Stande zu bringen. Doch mit purer Willenskraft und jeder Menge Pausen (ca. alle 15 Minuten) habe ich Ergebnisse erreicht, auf die ich echt stolz sein konnte. Das hat mir mal wieder gezeigt, wie weit ich kommen kann, wenn ich meinen Kopf und meine Gefühle unter Kontrolle halte.

Mein Kopf war am Sonntag mittlerweile dazu übergegangen, mir unwillkürlich konkrete Essensvorschläge zu unterbreiten:

“Wir sollten einmal wieder Salat essen. Der ist gesund und schadet nicht. Das ist allemal besser und gesünder als so lange zu fasten.”

“Lass uns doch einfach nur eine Suppe kochen und essen. Die liegt nicht schwer im Magen und belastet uns nicht.”

“Nur Gemüse wäre auch ausreichend. Du brauchst viele Vitamine und Mineralstoffe.”

Sind wir mal ehrlich: Hätte mir jemand gekochte Schuhsole serviert, ich hätte zumindest mal gekostet. Es kam schon lange nicht mehr auf das “Was” sondern nur noch das “Ob” des Essens an. 

Die Kreislaufschwäche nahm im Tagesverlauf des Sonntags teilweise beängstigende Formen an, die Kraftlosigkeit wurde mit fortlaufender Zeit ein ständiger und bekannter Begleiter. Meine Freundin und ich schleppten uns die Treppen im Wohnhaus Stufe für Stufe hoch und hangelten uns am Geländer entlang. Am Anfang dachte ich noch darüber nach, wie wir zwei wohl für Außenstehende aussehen mögen. Dieses Schamgefühl lässt aber ziemlich schnell nach. Irgendwann geht es nur noch ums nackte Überleben. 

Was mir seit Samstagabend wirklich sehr half: Ingwer-Tee. Der Ingwer-Tee erhöht den Blutdruck und stabilisierte meinen Kreislauf. Dadurch fiel es mir wesentlich leichter, wenigstens den Alltag einigermaßen zu bewältigen. Wobei das schon wirklich übertrieben ist: ein Spaziergang wurde nach 200 Metern durch Sitzen auf der nächsten Parkbank unterbrochen und nach weiteren 100 Metern endgültig beendet. 

Am späten Nachmittag und frühen Abend werden der Kreislauf und die körperlichen Kräfte allgemein langsam besser; der Ingwer-Tee wirkt. Konzentration und Arbeiten fallen auch wieder leichter. Als ich nach 10 Stunden Arbeit dann aber fertig bin, mache ich dennoch drei Kreuze.

Meine Freundin wirkte insgesamt etwas fitter; sie machte den Spaß (damit meine ich das Programm “Colo Vada” zur Entgiftung) halt schon zum zweiten Mal. Ich glaube, der Körper gewöhnt sich schnell an Ausnahmesituationen und es trifft ihn daher nie wieder so unvorbereitet. 

Meine Haut zeigte schon deutliche Besserungstendenzen: die entzündeten Stellen wurden sehr schnell kleiner und heilten bereits nach dem ersten Tag ab. Neben der echten Nachtruhe, hatte ich auch tagsüber kaum Attacken von Jucken, Kratzen oder Schmerzen. Auch meine Gelenke haben sich beruhigt, sind abgeschwollen und schmerzen nicht mehr. 

Allgemein denke ich am Sonntag sehr viel über Essen nach: In allen Variationen. Und ich rieche es überall. Jeder Geruch scheint mich an eine Mahlzeit zu erinnern, die ich irgendwann einmal zu mir genommen habe. Und wann immer ich von der Erkenntnis, dass ich ja nicht essen darf, aus meinen Tagträumen gerissen werde, werde ich kurzzeitig ein bisschen traurig. Das zeigt mir, wie eng in meinem Kopf Essen und Dopamin miteinander verknüpft sind. – Essen macht glücklich. 

Noch eine Parallele zur Meditation ist mir aufgefallen: Man nimmt seine Emotionen in dem jeweiligen Moment unheimlich intensiv wahr, aber man vergisst sie eben auch wieder sehr schnell. Das ist es doch, was der Zweck der Meditation ist: Zu erkennen, dass Gefühle nur eine momentane Erscheinung sind, die zu oft überbewertet wird. Kontrolle des Hungers = Kontrolle eines Gefühls. 

Oder wie es in der Self-Development-Szene heißt: Kannst du dein Hungergefühl beherrschen, kannst du alles beherrschen. 🙂